Modern, innovativ und hilfreich

Bei der Deichverteidigung und beim Hochwasserschutz nutzt der Artlenburger Deichverband zur Unterstützung zunehmend die modernen Kommunikationsmittel. So hat der ADV gemeinsam mit dem Vermessungsbüro Kiepke 2014 eine Deich-App für Smartphones entwickelt, die sich mittlerweile auch erfolgreich im Einsatz befindet. Durch die Deich-App ist es unter anderem möglich, bei Hochwasser potenzielle Helfer zu Deichpflegeplätzen zu führen, an denen noch Hilfe benötigt werden. Des Weiteren können die Deichwachen Schadensberichte aufgeben. Ein News-Bereich mit aktuellen Meldungen im Hochwasserfall sind ebenso vorhanden wie aktuelle Pegelstände für das Gebiet des jeweiligen Deichverbandes. Wie die Deich-App entstanden ist und was sie noch alles kann, können Sie im Folgenden lesen.

Deich-App unterstützt Einsatzkräfte und Helfer

Die Idee hatte Clemens Kiepke beim Rekord-Hochwasser im Juni 2013. Als er am dritten Abend in Folge nach Feierabend zur Schaufel greifen und Sandsäcke zum Schutz der Deiche füllen wollte, stand er dieses Mal vor dem verschlossenen Tor des Deichpflegeplatzes. Und mit ihm andere freiwillige Helfer, die voller Tatendrang waren. „Das könnte man doch besser organisieren“, dachte sich der Vermessungsingenieur aus Lüneburg. „Damit war die Idee zu einer Deich-App für Smartphones geboren“, erzählt Kiepke, der während des Hochwassers nicht nur abends Sandsäcke füllte, sondern tagsüber mit seinen Mitarbeitern im Auftrag des Artlenburger Deichverbandes die Hochwasserwelle vermaß, wie auch schon bei den Jahrhundertfluten 2002, 2006 und 2011.

Inzwischen ist die App programmiert und fertig für den Einsatz. Sie kann mit Hilfe von Smartphone und Tablet Helfer wie vom THW, von der Feuerwehr und Freiwillige schneller an die Einsatzorte an der Elbe in den Landkreisen Lüneburg und Harburg leiten sowie Pegelstände, Kartenmaterial und Angebote zur Organisation und Protokollierung zusammenstellen. Sie gibt es für die mobilen Betriebssysteme iOS und Android in den entsprechenden App-Stores. Auch der Neuhauser Deichverband am rechtselbischen Ufer setzt die Deich-App nach Vorbild des Artlenburger Deichverbandes künftig ein. 

Für den Artlenburger Deichverband arbeitet Clemens Kiepke mit seinem Vermessungsbüro seit mehr als zehn Jahren. Und dass nicht nur, wenn Rekordfluten die Elbe hinabströmen, sondern auch wenn es nicht so turbulent zugeht an den Deichen wie im Juni 2013. 

So hat das Büro unter anderem die Deichkronen vermessen, die Schutzdämme exakt und detailreich in Topografie, Lage und Höhe mit Wegen in Karten dargestellt. Mit Hilfe dieser Vorlage konnten an der Elbe alle 500 Meter Schilder mit dem aktuellen Deichkilometer aufgestellt werden. Die Tafeln dienen als Orientierungshilfe. Innerhalb jeder dieser Kurzstrecken gibt es überdies in den Boden eingelassene Platten, die ebenfalls den jeweiligen Deichkilometer markieren. Zudem erfassten die Mitarbeiter des Vermessungsbüros Hydranten, Versorgungsleitungen usw. an den Deichen.

„Es ist eine nahezu komplette Bestandsaufnahme im Hochwasserbereich zwischen Alt Wendischthun und der Staustufe Geesthacht entstanden, deren Daten uns helfen, im Ernstfall schnell zu reagieren“, sagt Norbert Thiemann, Geschäftsführer des Artlenburger Deichverbandes. „Wenn zum Beispiel Wasser durch einen Deich sickert, können wir mit Hilfe der umfangreichen Daten-Sammlung überprüfen, ob etwa eine durch den Deich verlegte Leitung die mögliche Ursache für die Leckage ist“, so Thiemann weiter. 

Die vielen tausend Dokumente, zu denen auch Protokolle von Deichschauen, Bauwerkpläne und Genehmigungsunterlagen gehören, liegen auf einem eigenen Server. „Die Zeiten von staubigen Akten, die in Regalen lagern, sind bei uns längst vorbei. Unsere Akten sind digitalisiert, auch das vom Gesetzgeber für die Dokumentation geforderte Deichbuch“, erklärt der Geschäftsführer. 

Zugriff auf das erste jemals erstellte elektronische Deichbuch sowie die Messwerte und -ergebnisse des Büros Kiepke haben nur der Deichverband und das Vermessungsbüro. „Wir haben in der Zwischenzeit viele Daten gesammelt und phantastisches Kartenmaterial erstellt. Beides, so meine Idee, sollte Grundlage für die App werden, die als Instrument eingesetzt werden kann, das Hilfe und Helfer bei der Deichverteidigung organisiert und koordiniert“, erzählt der Ingenieur. 

Seine Überlegung stellte er dem Deichverband vor. Mit Erfolg, er machte ohne Zögern mit bei dem Projekt. „Wir sehen in der App den Einstieg in eine zeitgemäße Technik, die uns bei Hochwasser sehr gut unterstützen kann“, sagt Norbert Thiemann. Der Deichverband betrete zwar Neuland mit dem Projekt, „doch es bietet uns auch die Chance, ein jüngeres Publikum zu erreichen, bei diesem das Interesse für den Hochwasserschutz und die Deichverteidigung an der Elbe zu wecken“, so Thiemann weiter. Mit dem Segen des Deichverbandes nahm Clemens Kiepke gleich nachdem die Gefahr des Hochwassers im Juni 2013 gebannt war, Kontakt zur Marktplatz GmbH in Lüneburg auf. Die Firma hatte bereits zahlreiche Apps für kommunale Projekte wie Wahlen und Schulausfall-Benachrichtigungen oder das Pendlerportal entwickelt. Zudem betreut die Marktplatz GmbH über 50 Landkreise mit einem digitalen Web-Dienst zur Verwaltung des Katastrophenplans. 

Nutzer der App bekommen umfangreiche Informationen an und in die Hand aus dem Bestand des Artlenburger Deichverbandes und vom Vermessungsbüro Kiepke: eine Übersicht der aktuellen Pegelstände an der Elbe zwischen Dresden und Hohnstorf direkt vom Elektronischen Wasserstraßen-Informationsservice (ELWIS) des Bundes sowie die Alarmstufen in den Kreisen Lüneburg und Harburg, die vom Deichverband und dem Büro Kiepke im Katastrophenfall ständig auf den neuesten Stand gebracht werden. Dazu gibt es ein Deich-Lexikon, das in Kurzform Fachbegriffe erklärt, von Deckwerk bis Wasserdruck. 

In der App zu finden sind detailreiche Karten, in denen unter anderem die Standorte der Deichpflegeplätze gezeigt werden – und die Information, auf welchen gerade Helfer benötigt werden. „Unsere Karten wurden in abgespeckter Form auf Google-Map-Karten gelegt. Sie funktionieren offline, deshalb ist die App mit einem Speicherbedarf von 50 MB auch recht groß“, erläutert Kiepke. In Online-Betrieb besteht die Möglichkeit, sich zu den Deichpflegeplätzen mit einem Routenplaner navigieren zu lassen. Für Rettungskräfte sind die Auffahrtrampen auf die Deiche aufgeführt, Deichwachbereiche sind ebenfalls dargestellt. 

Neben den frei zugänglichen Informationen gibt es einen passwortgeschützten Bereich, der den Fachleuten des Artlenburger Deichverbandes und den Deichwachen vorbehalten ist. In diesem internen Sektor der App gibt es Kontaktlisten des Deichverbandes und die Möglichkeit, Protokolle anzufertigen. „Protokolle können direkt verschickt werden. Wenn das Smartphone keine Netzverbindung hat, gehen die Informationen aber nicht verloren. Sie werden in dem Programm gespeichert“. 

Die Deich-App ist bereits preisgekrönt: Sie erhielt von der Gesellschaft für Geodäsie, Geoinformation und Landmanagement den „DVW GIS Best Practice Award 2014“ und von 

der Lüneburger Leuphana-Universität 2014 den Siegerpreis „Ideenkraft trifft Wissenschaft“ zum Thema „Digitale Kommunikation“. Bei aller Innovation gibt es einen Knackpunkt, der die App an Grenzen bringen kann. „Das sind schlecht ausgebaute Mobilfunknetze, die bei Überlastung oder zu geringer Abdeckung zum Beispiel bei einem großen Hochwassereinsatz unter Umständen nicht ausreichen“, sagt Kiepke. 

Norbert Thiemann appelliert daher an die Verantwortlichen bei Telekommunikationsunternehmen und Behörden, schnell für stabile Mobilfunknetze in potenziellen Katastrophengebieten wie an der Elbe zu sorgen. „Die Infrastruktur hinkt der technischen Entwicklung hinterher und muss dringend ausgebaut werden“, fordert er. Künftige Erfahrungen aus der Praxis sollen in die Entwicklung einfließen, um die App weiter zu verbessern. 

Hier können Sie die Deich-App herunterladen:
www.deich-app.de