Mehr als 300 Lkw-Ladungen Klei für den Deichbau

Klei ist für den Deichbau ein wichtiges Material, erklärt Klaus-Jürgen Steinhoff vom Niedersächsischen Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) in Lüneburg. „Der Sandkern eines Deiches wird von außen in einer Stärke von rund einem Meter mit Klei abgedeckt und anschließend mit einer fest verwurzelten Grasnarbe begrünt.“ Das Wort Klei leitet sich von kleben ab, da Klei-Boden dazu neigt, hartnäckig an den Schuhen zu haften. Wegen seiner hohen Bindigkeit wird der schwere Marschboden traditionell im Deichbau genutzt. Sein Vorteil ist, dass er einen hohen Widerstand gegen Auswaschung bei Hochwasser bietet.

Gewaltige Mengen Klei bewegte jetzt ein Lohnunternehmen im Auftrag des Artlenburger Deichverbandes (ADV) in der Elbmarsch. Auf einer Fläche zwischen Oldershausen und Eichholz beförderte ein Bagger 33 000 Kubikmeter Klei in den vergangenen Monaten aus dem Untergrund an die Oberfläche. „Das entspricht einem Volumen von mehr als 300 Lkw-Ladungen“, sagt ADV-Geschäftsführer Norbert Thiemann. Der Abbau in der Elbmarsch fand unter der Regie des NLWKN statt. Rund 200 000 Euro hat die Maßnahme gekostet. Der ADV trägt die Kosten. Bevor der Abbau begann, wurde die Fläche als Grünland von einem Landwirt bewirtschaftet. Eigentümer ist die Baufirma Weseloh aus Hamburg, die neben dem Straßen- und Tief- auch im Deichbau tätig ist. Bis 2020 liegt eine Abbaugenehmigung für das Gebiet vor. Bislang sind noch keine Lastwagen angerollt, um die für den Hochwasserschutz wertvolle Fracht von der Abbaustelle abzutransportieren. Daher türmen sich riesige und fein modellierte Erdwälle auf der Fläche. „Den Klei lagern wir dort, bis wir ihn für den Deichbau benötigen. Wir betreiben zurzeit Vorsorge, arbeiten vor, um dann später in Ruhe loslegen zu können“, berichtet ADV-Geschäftsführer Norbert Thiemann. Der ADV plant, das zwischen Oldershausen und Eichholz gewonnene Material für den Ausbau der in der Nähe befindlichen Schutzdeiche am Ilmenau- und am Neetze-Kanal auf einer Länge von 17 Kilometern zu nutzen. Bis es so weit ist, dauert es noch. „In der Zwischenzeit kann er gut abtrocknen. Für die Deichbauarbeiten ist das von Vorteil, weil der jetzt noch nasse dicke Klumpen bildende Klei krumeliger wird und sich so besser modellieren lässt“, sagt Thiemann. Für den Deichbau in Niedersachsen werden laut NLWKN in den kommenden 25 Jahren mehr als 14 Millionen Kubikmeter Klei gebraucht. Für einen Kilometer Deich werden bis zu 200 000 Tonnen benötigt. Mit dem kostbaren Gut muss sorgfältig und wirtschaftlich umgegangen werden, denn der wichtigste Baustoff für Deiche steht nicht unbegrenzt zur Verfügung, so der Landesbetrieb. Die Klei-Entnahme im Binnenland wird schwieriger, lautet die Prognose. Aus diesem Grund ist der Artlenburger Deichverband ständig auf der Suche nach Flächen, auf denen er Klei abbauen kann. Hendrik Hilmer vom Projektmanagement für öffentliche Bauprojekte Ad Aqua ist mit dieser Aufgabe betraut. „Der Deichverband benötigt rund eine Million Kubikmeter Klei für den Deichbau“, sagt er. „Wir führen bis zum Ende dieses Jahres sogenannte Baugrunduntersuchungen in den Bereichen Radegast/Vitiko, Echem/Hohnstorf und Artlenburg durch. Bis dahin wollen wir wissen, wo in diesen Gebieten Klei liegt“, berichtet er. Diese Untersuchungen sind der erste Schritt hin zu einer möglichen Klei-Förderung, die dann bei erfolgreicher Abbau-Genehmigung in den kommenden fünf bis zehn Jahren erfolgt. Gleichzeitig sucht Hendrik Hilmer weitere Flächen zwischen Walmsburg und der Staustufe Geesthacht, die in Deichnähe liegen. Er versucht, mit Eigentümern und Landwirten, die Äcker und Grünland beackern, über einen möglichen Ankauf oder Flächentausch ins Gespräch zu kommen. „Das Entgegenkommen ist bisher gut. Der Hochwasserschutz an der Elbe ist tief verankert im Bewusstsein der Menschen, sie sind deshalb auch sehr verwurzelt mit dem Artlenburger Deichverband“, berichtet er. So hätten bislang auch nur ganz wenige von 30 Eigentümern, zu denen der ADV Kontakt aufgenommen hatte, abgelehnt, ihre Flächen für einen möglichen Klei-Abbau zur Verfügung zu stellen. „Das macht Mut für die weitere Suche, weil wir auf die Mitarbeit der Flächenbesitzer und Landwirte dringend angewiesen sind.“ Hendrik Hilmer ruft aber nicht nur sie auf, dem Deichverband potenzielle Flächen anzubieten. „Der ADV ist auch Abnehmer von Klei, der bei der Erschließung von Bau- und Gewerbegebieten anfällt.“ Klaus-Jürgen Steinhoff berichtet, dass der Klei auf der Fläche zwischen Oldershausen und Eichholz bei Probebohrungen entdeckt wurde. „Dieser wurde dann aus einer Tiefe von 2,30 Meter gefördert“, erläutert er. Zudem stellte sich bei der Bohrung heraus, dass unter der Klei-Schicht in etwa drei Metern Tiefe Sand liegt. „Es lagert noch eine ziemlich große Reserve im Untergrund. Wir haben auch die Option, an dieser Stelle Sand aus dem Boden zu holen, wenn dieses Verfahren genehmigt wird“, sagt er. Das Landschaftsbild auf der Abbaufläche hat sich nach Ende der Arbeiten verändert. Es ist ein etwa Fußballfeld großes 1,50 Meter bis zwei Meter tiefes Gewässer entstanden. „Ein guter Lebensraum für Watvögel und andere Vogelarten“, sagt Klaus-Jürgen Steinhoff. Unter anderem Gänse, Schwäne, Silberreiher, Kiebitze und Möwen haben das Gewässer und das angrenzende Ufer bereits erobert. „Die Natur kann sich ausbreiten“, so der NLWKN-Mitarbeiter. Er geht davon aus, dass sich künftig auch Fische im Wasser tummeln werden. „Wir wissen, dass sich Fischbrut auf natürlichem Weg verbreiten kann, zum Beispiel können Enten die Brut im Gefieder von einem Gewässer zum anderen transportieren.“ ADV-Geschäftsführer Norbert Thiemann betont, dass der Abbau im Einklang mit dem Naturschutz steht. „Die Natur profitiert, weil ein Feuchtbiotop entsteht, das vielen Vogel-, Amphibien- und Insektenarten einen neuen und wertvollen Lebensraum bietet“, erklärt er. Zu beobachten ist dies in unmittelbarer Nähe. Nur wenige Meter von der aktuellen Abbaufläche wurde bereits auf einer anderen vor Jahren Klei gefördert. Inzwischen hat sich die Natur dort das Land wieder geholt, Pflanzen gedeihen, Tiere und Insekten haben das Gebiet besiedelt.